Auch diese Woche hat eine Menge Highlights zu bieten. Zwei Mal geht es über 3.000m in das Reich der kargen Berge, in dem nur Eis und Fels die Landschaft beherrschebeherrschen.
Von Ceresole Reale beschließen wir, mit dem kostenlosen Bus zum Colle dem Nivolet zu fahren. Schon die Busfahrt auf den 2600m hohen Pass ist ein Erlebnis. Eine Stunde geht es Kurve um Kurve die Passstraße hinauf. Der Blick aus dem Fenster wird immer weiter und toller. Bald rücken auch die Gletscher wieder ins Blickfeld. Gerade der Gegenverkehr auf der engen Straße ist eine echte Herausforderung. Bin ich froh, dass ich nicht fahren muss!
Wir haben ein richtiges Postkartenwetter. Knallblauen Himmel und Sonnenschein! Erst gegen Nachmittag ziehen kleine Wölkchen auf. Der weitere Weg führt uns an Seen vorbei durch grüne Wiesen. Hinter uns ragt der Gran Paradiso mit über 4.000m auf und rund herum einige andere nicht ganz so hohe vergletscherte Gipfel. Je höher wir kommen, desto karger und felsigen wird die Umgebung. Wir wandern bis zum Colle dem Leynir auf 3084m. Nun wird auch die Sicht nach Frankreich frei. Ist ja wirklich nicht mehr weit. Die vergletscherte Gipfelkette bildet gerade die Grenze. Und siehe da: vor uns ragt markant der Mont Blanc in die Höhe. Immer wieder ist die Spitze sogar ohne Wolken zu sehen. Toll! Zwei Stunden liegen wir dort oben in der Sonne mit Blick auf die hohen Berge. Das verschafft sogar mir noch einen kleinen Sonnenbrand.
Nach diesem tollen Ausflug geht es zurück nach Ceresole Reale. Und hier ein Phänomen, das ich auf dem GTA noch nicht hatte: das nächste Posto Tappa ist ausgebucht! Das Hotel im Ort hat aber noch Plätze. Wie sich später herausstellt, sind nun 18 GTA Wanderer auf diesem Abschnitt unterwegs!
Die nächsten Etappen führen immer über einen hohen Pass in die Lanzotäler. Vor allem früher waren diese Bergtäler bei den Turinern in den heißen Sommermonaten sehr beliebt. Heute gleichen die Hotels fast Altersheimen. Fast nur sehr alte Leute verbringen den heißen August hier oben. Obwohl das bergsteigerische Angebot groß ist. Am Talschluss in Richtung Frankreich gibt es vergletscherte hohe Gipfel, Wanderrouten gibt es überall und sämtliche Klettergärten sind eingerichtet.
Die Hitze, die mich die Woche vorher so fertig gemacht hat, weicht kühleren Temperaturen und auch instabileren Wetterverhältnissen. Der Übergang vom zweiten ins letzte Lanzotal wird uns durch starken Regen und Gewitter sogar verweigert. Da der Wetterbericht für den nächsten Tag auch nicht viel besser aussieht, beschließen wir außenrum zu fahren. Eine abenteuerliche Fahrt. Die Busse hier sind nicht gerade für 18 Wanderer ausgerichtet. Der letzte Bus ist sogar zu klein! Doch der Busfahrer tauscht den Bus innerhalb von weniger als 10 Minuten in einem größeren um. Das wäre bei uns undenkbar! Da müsste man auf den nächsten warten. Aber da fährt der Bus ja auch öfter als zwei Mal am Tag.
Die nächsten Tage werden etwas stabiler, kein Regen, aber es wird deutlich kälter. Das nächste Highlight steht an: die Rocciamelone. Lange sogar als höchster Berg der Alpen verkannt. Immerhin ragt Sie über 3.000m über Susa auf! Sie sorgt für einiges an Gesprächsstoff am Abend. Wie wird das Wetter sich entwickeln? Wann kann man am besten den 3538m hohen Berg besteigen? Wird es überhaupt gehen? Fest steht: wir alle wollen hoch! Schon zwei Tage vorher, zeigt der Gipfel sich am Abend unten am Rifugio Vulpot. Hoch ragt er über dem See empor! Hoch und steil! Diesen Berg soll man einfach besteigen können? Mal schauen!
Der Weg vom Rifugio Vulpot zum Rifugio Ca d'Asti am Fuß der Rocciamelone ist wunderschön und führt immer auf der Höhe über steile Grasflanken. Immer wieder geben die Wolken das Susatal und die Berge dahinter frei. Ein toller Weg! An der Hütte angekommen fragen wir nach: Wann sollten wir am besten den Gipfel in Angriff nehmen? Jetzt noch oder morgen früh? Das kann keiner so genau sagen. Das Wetter ist sehr unbeständig. Jetzt ist der Gipfel in Wolken und reißt vielleicht noch auf. Für morgen ist das Wetter tendenziell besser angekündigt, dafür soll es deutlich kälter werden. Die Null Grad Grenze soll auf der Höhe der Hütte auf 2800m liegen! Wir beschließen, es morgen früh zu probieren.
Auf der Hütte mit 90 Betten ist sehr wenig los und so sind wir nur zu fünft. Wir werden herrlich bekocht und nach dem Essen reißt sogar der Himmel ganz auf. Wunderschön! Auch der Blick auf die Poebene wird frei! Aber nur kurz, bevor die Wolken unter uns wieder die Regie übernehmen. Und dann erleben wir ein ganz besonderes Schauspiel hoch über der Poebene. Eine riesige hohe Wolke bäumt sich im Licht des Sonnenuntergangs über der Ebene auf. Kurz darauf geht das Gewitter dort unten los. Was für ein Schauspiel aus der Ferne von hoch oben! Es folgt ein Gerenne zwischen der Terasse vor der Hütte und dem wärmenden Ofen. Denn draußen ist es bitter kalt!
Ein schneller Blick aus dem Fenster um 6 Uhr morgens verrät eine klare Sicht! Schnell hüpfen wir aus dem Bett. Nichts wie fertig machen und los! Auf dem Weg hinauf sehen wir sogar eine ganze Herde Steinböcke! Mindestens 16! Der Blick reicht heute bis zum Monviso, der mittlerweile deutlich näher gerückt ist, und zum südlichsten 4.000er der Alpen, dem Barre des Ecrins. Super schön! Vom Vorgipfel auf 3.306m ist die Sicht am besten. Nun wird auch der Blick auf den Hauptgipfel frei. Eine kleine Wolke sammelt sich drum herum. Wir gehen weiter. Die Wolke wird immer dichter, es wird eiskalt und dann beginnt es zu schneien. Trotzdem weitergehen? Weit kann es nicht mehr sein! Hoffentlich schneit es nicht zu arg! An eisigen kalten Seilen entlang geht es schließlich bis zum Gipfel. Mittlerweile bedeckt eine dünne Schneeschicht den Fels. Zum Glück gibt es die Seile! Und dann sind wir oben! Die Sicht ist zwar gleich null, aber die Lichtstimmung was ganz besonderes. Wie sich die Sonne durch die Wolken kämpft! Statt einem Kreuz steht hier oben eine riesige Madonna. Schließlich ist dies der höchste Wallfahrtsberg Europas!
Mittlerweile sind die Hände und Füße eiskalt! Die Haare weiß und gefroren. Ich komme mir vor wie auf einer Expedition. Dick eingepackt im Schneetreiben in dieser Kälte. Bald machen wir uns auf den Rückweg. Zum Glück ist der anstrengende schneebedeckte Teil bald hinter uns und der Abstieg wird leichter. Trotz Schnee, war es ein tolles Erlebnis dort oben!
Heute ist nun das eisige Wetter hinter uns und es wird wieder wärmer. Wir sind nun oberhalb von Susa, wohin wir später absteigen werden. Das wird wohl die letzte größere Stadt vor dem Meer sein!