Herrliche Tour zwischen 4000ern und der Poebene

Was für Etappen! Nirgends ist die Distanz zwischen den 4000ern der Alpen und der Poebene so gering. Das sorgt bei dem tollen Wetter, das ich nun wieder habe, für grandiose Fernblicke. Mehrere Tage wandere ich so mit tollsten Aussichten. Zum einen auf die Monte Rosa Gruppe, zum anderen aber auch immer in der Ferne den Monviso im Blick und vor mir die Weite der Poebene. Einfach spitze!


Von Alagna geht es zuerst hinein in das Val Vogna. Was für ein Kontrast! War in Alagna noch die Hölle los mit unzähligen Touristen, so ist das Val Vogna ein romantisches einsames Tal, in dem einzelne kleine Weiler mit vier oder fünf schmucken Walserhäusern den Weg säumen. Wie idyllisch! Immer weiter führt der Weg über einsame Pfade hinauf ins Gebirge. Nachdem ich die vier anderen Wanderer, die heute auch diese Etappe des GTA gehen, hinter mir gelassen habe, begegne ich vier Stunden niemandem. Was für eine Ruhe! Leicht ansteigend schlängelt sich der Weg über saftige Weiden und klare Bergseen hinauf auf den ersten Pass des Tages. Hinter mir ragt das Monte Rosa Massiv empor. Leider schon wieder in Wolken. Auch längeres Warten bringt nichts. Naja, ein paar Chancen hab ich ja noch. Kurz vor dem zweiten Pass treffe ich dann tatsächlich einen anderen Wanderer. Eine Französin, die ebenfalls alleine unterwegs ist. Ich spreche zwar kein Französisch und sie konnte nichts anderes, aber trotzdem klappt es irgendwie mit der Verständigung. Gemeinsam gehen wir zum nächsten Pass. Und ein einmaliger Blick in die wilden Berge des Aostatals wird frei. Wir setzen uns und essen zu Mittag. Obwohl sie nur eine sehr streng portionierte Menge an Käse und Brot hat, gibt sie mir etwas ab. Sie ist mit dem Zelt unterwegs und teilt sich ihr Essen sehr streng ein. Ich esse tagsüber so gut wie nichts mehr und habe deshalb außer ein paar Keksen nichts mehr zu bieten. Sie ist von Straßburg, wo sie aufgewachsen ist, bis ans Mittelmeer unterwegs, wo sie jetzt lebt. Allerdings nicht auf dem GTA, sondern der blauen Via Alpina.

Der letzte Pass an diesem Tag gibt einen Blick frei, mit dem ich bei dieser wilden Gebirgswelt nicht gerechnet habe. Vor mir ist nichts mehr. Nur noch ein Tal und dann erstreckt sich die Poebene vor mir. Hinter mir ragt immer noch die Monte Rosa in die Höhe! 


Auch der nächste Tag hat einige Höhepunkte zu bieten. Es soll ein langer Tag werden. Insgesamt 11 Stunden bin ich unterwegs. Ein Abstieg bringt mich hinunter ins Tal. Einige Klöster und Kirchen weisen schon darauf hin, dass der bekannte Pilgerort Oropa nicht mehr weit sein kann. Doch zuerst gilt es noch auf einen aussichtsreichen Wanderweg bis auf die allerletzte Anhöhe vor der Poebene zu wandern. Was für eine Aussicht! Der Himmel ist ungewöhnlich klar und da die Alpen einen Bogen um die Poebene bilden, reicht die Sicht unglaublich weit. In der Ferne ist Mailand zu sehen, daneben die Berge rund um den Lago Maggiore. In die andere Richtung reicht der Blick über den Gran Paradiso Nationalpark bis hin zum Monviso, bis zu dessen Fuß ich noch drei Wochen brauche! 

Nun dauert es nicht mehr lange und die riesige Klosteranlage von Oropa taucht unter uns auf. Mehr als 800.000 Menschen pilgern jedes Jahr dort hin. Meine zweite große Pilgerstätte auf meinem Weg. Natürlich muss man sich die Zeit nehmen, dieses UNESCO Weltkulturerbe zu besichtigen. Leider ist die große Kirche wegen Bauarbeiten gesperrt. Aber die kleine Kapelle mit der schwarzen Madonna ist offen. Und eine Krippenausstellung mit Krippen aus aller Welt kann besichtigt werden. Das ganze Gelände ist sehr beeindruckend und groß. 


Doch hier wird nicht übernachtet. Ich und ein Ehepaar, das mit mir auf dem GTA unterwegs ist, haben beschlossen, die Nacht auf der kleinen Capanna Renata fast auf dem Gipfel des Monte Camino zu verbringen. Eine Seilbahn bringt und 500m hinauf. Der nostalgische Korblift ist leider seit letztem Jahr geschlossen und so steigen wir weitere 500 hm zu Fuß hinauf. Die Hütte ist sehr gemütlich und hat gerade einmal 8 Schlafplätze. Wir bleiben die einzigen Übernachtungsgäste. Gleich nach der Ankunft muss natürlich noch der fünfminütige Aufstieg zum Gipfel sein! Wieder ein absolut beeindruckender Blick! Die Monte Rosa ist immer noch in Wolken. Doch es werden von Tag zu Tag weniger. Die Sicht geht nun auch bis zum Matterhorn und dem Mont Blanc. Einfach toll! Im Süden können wir den Monviso sehen und im Nordosten die Berninagruppe. Eine Wanderstrecke, für die ich etwa 1 1/2 Monate brauche. Wahnsinn!

Abends kocht der Hüttenwirt ein Abendessen, das sich sehen lässt. Was er mit seinen bescheidenen Mitteln zaubern kann ist beachtlich! Alles muss hoch getragen werden und Trinkwasser gibt es hier oben auch nicht. 


Pünktlich um 5 Uhr klingelt der Wecker. Einen Sonnenaufgang bei so gutem Wetter mit einem Aufstieg zum Gipfel von nur 5 Minuten darf man sich bestimmt nicht entgehen lassen! Und wie toll es ist. Um 5 Uhr ist es noch stockfinster und die Lichter in der Poebene bilden ein tolles Schauspiel! Mit dem immer röter werdenden Himmel wird das Lichtermeer im Tal immer blasser und die Berge immer deutlicher. Ein toller Sonnenaufgang! Die Monte Rosa ist immer noch in Wolken. Doch es werden von mal zu mal weniger. 


Den Aufstieg vom Tag zuvor muss ich erst einmal wieder runter, bevor ich wieder auf dem GTA bin. Die anderen beiden fahren wieder nach Hause. Der folgende Weg ist sehr einsam und wieder begegne ich stundenlang niemandem. Und dann, auf einer Anhöhe, ist sie vor mir. Die Monte Rosa Gruppe und dieses Mal ohne eine einzige Wolke! Toll. Die ganze Zeit habe ich den Gran Paradiso Nationalpark im Auge. Wild und schroff! Diesen werde ich als nächstes durchwandern. 


Die Unterkünfte auf dem GTA sind meistens sehr einfach. Entweder Hütten, Posto Tappas, einfache Wanderunterkünfte im Tal, oder Agriturismen, Bauernhöfe, die Wanderern Betten zur Verfügung stellen. Ich bin diese Nacht in einem Agriturismo zusammen mit einem französischem Ehepaar. Und dann erleben wir ein Abendessen, das mir wahrscheinlich noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Das beste auf meiner ganzen Tour! Ich weiß, ich schreibe immer mehr über das Essen, aber das ist auch was ganz besonderes hier! Die beiden Frauen, die den ganzen Tag mit der Landwirtschaft zu tun haben, stellen sich abends in die Küche, um über drei Stunden für drei hungrige Wanderer zu kochen! Insgesamt 12 verschiedene Speisen werden nacheinander aufgetischt:

Bruschetta mit Olivenöl und Rosmarin, zwei verschiedene Käsesorten, Esskastanien mit Butter, selbstgemachtes Maisbrot, Tomaten mit selbstgemachtem Petersilienpesto, Suppe, Pasta mit Kürbis, Salat, Fleisch Omelette Kartoffeln und Auberginen, Käse, Apfelstrudel, Panna Cotta!

Wenn man nur vorher wüsste, was noch alles kommt! Alles wird in riesigen Mengen aufgetischt, dass mindestens doppelt so viele satt geworden wären! Und so günstig! Für dieses Geld bin ich in den Ostalpen oft nicht einmal richtig satt geworden!


Der nächste Tag beginnt mit einem Abstieg nach Quincinetto und damit zum tiefsten Punkt des GTA außerhalb des Meeres. Eine Hitze empfängt mich dort, die den Aufstieg auf der anderen Seite des Tals umso anstrengender gestaltet. 

Mittlerweile sind wieder acht neue Wanderer auf dem GTA unterwegs. Das ist das schöne hier! Es ist immer noch jemand unterwegs, aber es sind bis viele Leute!