Viel früher als gedacht erreichen wir Villach. Erst in einer Woche kommt meine nächste Begleitung nach Arnoldstein (eine Tagesettape entfernt von Villach), um mich auf dem karnischen Höhenweg zu begleiten. Also bleibt Marlies und mir etwas Zeit, die Gegend zu erkunden. Schließlich beschließen wir, das Gebirge an der Grenze zu Slowenien besser kennen zu lernen und tauchen ab in die Karawanken.
Mit den Karawanken tauchen wir, im Gegensatz zu unseren letzten Etappen, ein in die wunderbare Welt der schroffen und bleichen südlichen Kalkalpen. In ein Gebiet, in dem sogar wieder Bären leben. Aus Slowenien und Italien sind sie nach Österreich gekommen. Bären gibt es in Österreich nur im Bereich der Grenze zu Italien und Slowenien in den Karawanken, den Karnischen Alpen, den Gailtaler Alpen und in Osttirol. Zu Gesicht bekommt man diese Tiere allerdings nur selten. Und auch und bleibt er verwehrt. Nur auf Hinweisschildern werden wir auf sie aufmerksam gemacht und wie man sich verhalten soll, wenn doch einer auftauchen sollte.
Doch bevor wir in die Karawanken abtauchen, steht noch eine weitere Wanderung von Arriach nach Villach an. Gemeinsam geht es über den letzten Ausläufer der Nockberge zu den Kärntner Seen. Der berühmteste von allen ist bestimmt der Wörthersee. Doch unzählige weitere Seen warten hier auf Touristen und haben allerhand zu bieten. Die größten sind neben dem Wörthersee der Millstätter See, der Ossiacher See und der Weißensee. Heiß und verschwitzt genießen wir den Ossiacher See. Angenehm erfrischend ist das Wasser, mit 19 Grad sogar wärmer als vermutet. Lange liegen wir im Wasser, schwimmen ein bisschen und genießen das Bergpanorama rund herum.
Hoch motiviert starten wir am nächsten Tag unsere Tour in Richtung Karawanken. Schon gestern ist uns ein sehr markanter Berg aufgefallen. Fast alleinstehend und höher als alles um ihn herum, ragt er vor uns auf. Hoch sieht er von hier unten aus. Kaum vorstellbar, dass wir morgen früh auf seinem Gipfel stehen wollen! Heiß und fast schweißtreibender als im Gebirge schlängelt sich der Weg zunächst 15 km durch das flache Land. Teilweise über sonnendurchflutete Wiesen und Felder. Fast sehnsüchtig erwarten wir den Wald und den Aufstieg. Und tatsächlich: der Aufstieg ist zwar ebenfalls schweißtreibend, aber im Schatten der Bäume wesentlich angenehmer. Kaum an der Bertahütte angekommen, hüpfen wir noch auf die Ferlacher Spitze. Ohne Rucksack und mittlerweile gut trainiert geht das wie im Flug und ohne große Anstrengungen. Obwohl der Gipfel um einige hundert Meter vom Mittagskogel, dem höchsten Berg der westlichen Karawanken, übertrumpft wird, ist er doch ein wirklich toller Aussichtsgipfel. Der Blick wandert über die Seen bis hinüber zu den Nockbergen. Hinter uns ragt die schroffe Südwand des Mittagskogels in die Höhe.
Am nächsten Morgen folgt die Besteigung des Mittagskogels. Haben wir noch überlegt, ob wir heute die ersten dort oben sind, strömen schon beim Frühstück die ersten Wanderer zur Hütte und weiter zum Gipfel hinauf. Schnell steht fest, die ersten werden wir nicht sein und die einzigen ganz sicher auch nicht. Das ist auch kein Wunder. Schließlich ist Pfingstsonntag, das Wetter ist gut und der Mittagskogel ein wirklich schöner Gipfel.
Wieder mit leichtem Gepäck meistern wir fast mühelos den Gipfel. So viele Wanderer habe ich zusammen auf meiner ganzen Tour noch nicht gesehen. Aber es macht mir nichts aus. Irgendwie genieße ich es sogar! Leider ist es etwas trüb und die Sicht ins Tal ist sehr eingeschränkt. Doch dafür erstreckt sich vor uns die atemberaubende Gebirgswelt der Julischen Alpen. Schroff ragt die fast 1000m hohe Nordwand des Triglavs vor uns auf. Mit der Besteigung des Mittagskogels ist aber auch ein weiterer Höhepunkt für mich erreicht. Nach über 500km in Österreich betrete ich das erste Mal ein anderes Land: Slowenien. Wenn auch nur sehr kurz und immer an der Grenze entlang. Aber immerhin! Ich habe fast ganz Österreich zu Fuß durchquert! Einfach großartig!
Die folgenden beiden Tage nutzen wir, um zur Klagenfurter Hütte aufzusteigen und Gipfel zu sammeln. Doch das Wetter meint es nicht zu gut mit uns. Die Sicht ist durch Wolken und Nebel ziemlich getrübt. Den Gipfel Bielschitza erreichen wir sogar gar nicht. Der Nebel um uns wird dichter und dichter. Der Weg ist kaum noch zu erkennen, die Markierungen irgendwann gar nicht mehr. Das hat keinen Sinn. Kurz vor dem Gipfelkreuz drehen wir um. Es hat keinen Wert mehr! Verlaufen will man sich in diesem Geröll sicher nicht. Wir steigen ab ins Rosental. Kaum angekommen fängt es heftig zu regnen und zu gewittern an. Bis in die Nacht hinein hört es nicht mehr auf. Da haben wir noch einmal Glück gehabt!
Die schöne Zeit mit Marlies ist nun schon zu Ende. Sie fährt zurück und ich habe zwei freute Tage in Villach. Auch nicht schlecht! Dann geht es weiter nach Arnoldstein und auf den karnischen Höhenweg.
600 km und 23.000 Höhenmeter liegen nun schon hinter mir. Ich betrete nun Neuland. Die Strecke des Traumpfads München Venedig habe ich schon geschafft. So weit bin ich bis jetzt noch nie gewandert! Das Gefühl ist toll, es schon so weit geschafft zu haben! Die Vorfreude auf die nächsten spannenden Wegabschnitte wächst und wächst.
Nun fragt man sich natürlich auch, was für Spuren so ein langer Fußmarsch hinterlässt. Da muss ich sagen, ich bin positiv überrascht. Die wenigen Blasen, die ich hatte, sind längst verheilt, die Haut ist schon lange braun gebrannt und die Sonnencreme ganz unten im Rucksack, die Schuhe haben sich meinen Füßen angepasst und meine Füße den Schuhen, die Beine bestehen nur noch aus Muskeln und mein Magen ist ein Fass ohne Boden und kaum satt zu bekommen. Meine Kleidung ist vollgeschwitzt und der Duft in unserem Zimmer in der letzten Nacht vor Marlies Abreise ist so schlecht und stinkend, dass Marlies davon schlecht wird. 28 Tage ein T-Shirt vollschwitzen und alle 6 Tage Handwäsche hinterlässt dann doch einen gewissen unangenehmen Duft. Doch ist man unterwegs, bemerkt man das selber gar nicht mehr. Trotzdem bin ich froh, dass hier in der Jugendherberge eine Waschmaschine bereit steht. Einmal alles durchwaschen ist bestimmt nicht verkehrt!
Auch meine Kleidung hält der Belastung gut Stand. Naja, immerhin fast. Vor einer Woche bemerke ich einen kleinen Riss in meiner Hose. Mit Nadel und Faden ist er schnell geflickt und eine Stunde später doppelt so groß. Ok, nähen hilft wohl nix und zum kleben finde ich nichts. Nach einem Tag reicht der Riss an meinem Hintern von einer Naht bis zur anderen. Einmal quer durch. Macht nichts, geht immer noch. Bei unserem Aufstieg zur Klagenfurter Hütte gibt es, als ich mich setzt, ein lautes 'Ratsch'. Die Hose hängt wie ein Stück Stoff herunter. Ok, ich hab verstanden, sie will nicht mit nach Nizza! Das ist meine älteste Wanderhose, super bequem und deshalb immer dabei, aber mittlerweile doch altersschwach und spröde. Also noch eine Aufgabe für den Ruhetag: eine neue Hose muss her!