Orientierungslauf in den Ybbstaler Alpen

Für alle Zahlenfreunde eine kleine Zwischenbilanz:

Strecke: 230 km

Aufstieg: 7000 hm

Abstieg: 6800 um

10 Gehtage

57 Stunden reine Gehzeit 

1 Pausetag 

1 Regebtag 

Und einige Liter Schweiß ;)


Da ich schon am vierten Tag den Nordalpenweg und somit meine geplante Route verlassen habe, muss ich mir nun meine Strecke über weniger hohe Wege zusammensuchen. Doch durch die Hilfe einiger Einheimische gelingt mir das super gut. Ich finde einige wunderschöne Ecken, von denen ich noch nie gehört habe.


Mein erster Stopp heißt nach Mariazell die Vorderötscherhütte im Naturpark Ötscher. Der Weg führt mich durch eine wilde und sehr beeindruckende Schlucht, den Ötschergraben. Da der viele Schnee in höheren Lagen am wegschmelzen ist, ist der Bach gut gefüllt und auch die vielen Wasserfälle am Wegesrand sind sehr beeindruckend. Der Weg führt mich auf einigen Holzbrücken und Seilen gut gesichert durch die Schlucht. Teilweise ist er extra in den Fels gesprengt worden. Sehr beeindruckend und bis jetzt ein absoluter Highlight.


Auf der Hütte bin ich nicht der einzige Gast. Eine Familie mit einer Tochter in meinem Alter ist auch hier. Ich freue mich über ein bisschen Gesellschaft. Sie sind sehr offen und redselig. Doch dann gehen sie mir doch gehörig auf die Nerven. Während des Essens wird die ganze Zeit über alles mögliche geschimpft: es liege zu viel Plastik und Müll in den Bergen, sowieso benutze der Mensch zu viel Plastik. Sie sind, wie es sich herausstelherausstellt, Umweltaktivisten, die gegen Plastik protestieren. Das ist im Grunde ja lobenswert. Doch ihre aggressive und unverständliche Art gegenüber anderer Meinungen und Argumente ist doch sehr extrem und schwierig.

Sei es damit nicht genug, geht es weiter mit: "Ausländer gehören raus aus dem Land! Es kann doch nicht sein, dass die Bildung in der Schule wegen ihnen leider!" und: "Die Aufarbeitung des dritten Reiches sei in Österreich noch nicht passiert! Das müsse dringend geschehenen!" und: " Der Job im Altersheim sei nur anstrengend und alle Menschen so undankbar!" und: "Das Leben ist sowieso blöd!" Und so weiter... Mir geht das irgendwann ziemlich auf die Nerven. Ich bin doch hier, um die Natur zu genießen und Ruhe zu bekommen und sicher nicht um mich über Gott und die Welt auszulassen. Schließlich verlasse ich den Tisch und genieße die Ruhe draußen auf der Terrasse. Der Hüttenwirt kommt zu mir. Er kann mich gut verstehen und wir genießen den Abend.


Er erzählt mir, dass hier vor knapp drei Wochen zwei Meter Schnee lagen. Sie waren total eingeschneit und brauchten zwei Tage um sich einen Weg zum 50 Meter entfernten Schuppen zu graben, um Feuerholz zu holen. Was für Saisonstart! So etwas gab es im Mai wohl statistisch seit über 100 Jahren nicht mehr. 


Der weitere Weg führt mich nach Lunz am See. Ein sehr schöner Ort, der idyllisch am See, umgeben von hohen Bergen, liegt! Auf den Rat der sehr netten Wirtin hin- großes Lob an das wunderschöne moderne Zimmer und die nette Betreuung!- gehe ich nun auf dem Ybbstaler Radweg über saftige grüne Blumenwiesen mit einigen blühenden Narzissen bis nach Hollstein an der Ybbs. Eine sehr schöne eher entspannte Etappe, obwohl 27 km Teer auch nicht so toll für die Füße sind.


Heute soll es weiter über den Frenzsattel gehen. 5 Stunden sind angegeben. Also auch entspannt, obwohl es recht warm, ja fast heiß, ist. Nach zwei Stunden erreiche ich nach jeder Menge Forstwege einen schönen Waldpfad. Ich folge dem immer schmaler werdenden Pfad in den Wald hinein. Immer den Markierungen hinterher. Doch irgendwann merke ich, dass keine Markierung mehr zu erkennen ist und ein Pfad eigentlich auch nicht. Mein GPS bestätigt mir meinen Verdacht. Ich habe den Pfad verloren. Also schlage ich mich in Richtung Pfad zurück durch. Doch keine Chance. Ich finde ihn nicht. Nun hilft mir dann doch die Orientierungsgabe, die ich durch den Orientierungslauf gelernt habe. Nach einiger Zeit lande ich wieder auf dem Forstweg. Ich starte einen zweiten Versuch. Hoch konzentriert Folge ich den Markierungen. Doch wieder hört der Pfad auf. Gibt es ihn überhaupt noch? Ich bezweifle es. Naja wenigstens beschert mich dieser Abstecher einen kleinen 'Orientierungslauf' durch den wunderschönen Wald der Ybbser Alpen. 


Ich schaue auf die Karte. Es gibt tatsächlich eine Alternative- ein Forstweg. Hilft ja nichts. Nach 45 Minuten Umweg erreiche ich den Sattel. Die Wegsucheei hat über 1 1/4 Stunden gedauert. Mittlerweile bin ich schon 4 1/2 Stunden unterwegs, statt 2 1/2. Wenigstens kann ich den Weiterweg nicht verfehlen! Alles Forstwege! Doch diese haben auch noch eine Überraschung zu bieten! Zwei Kreuzottern, die sich auf dem Weg sonnen. Erschöpfter als gedacht komme ich in Altenmarkt bei St. Gallen an. Trotzdem ein toller Tag! Gebucht habe ich so wie gestern nichts. Aber das ist kein Problem! Urlauber gibt es noch wenige.


Morgen geht es in den Nationalpark Gesäuse und somit wieder auf die ursprüngliche Route. Nur deutlich schneller, als gedacht! Endlich wieder höhere Berge!

Durch den Ötschergraben
Durch den Ötschergraben
Durch den Ötschergraben
Durch den Ötschergraben
Lunzer See
Lunzer See
Blick ins Gesäuse
Blick ins Gesäuse
Eine Kreuzotter
Eine Kreuzotter