Ziel erreicht

Strecke: etwa 2.010 km 

Aufstieg: etwa 105.000 hm

Abstieg: etwa 105.000 hm

115 Gehtage 

623 Stunden reine Gehzeit 

16 Ruhetage 

2 Regenwandertage! Ist das nicht unglaublich! Ich bin so gut wie nie nass geworden!


Die Etappe gestern war eigentlich nur gut, um Kilometer abzuspulen. Fast immer mit Blick auf das Meer. Das war aber auch das einzig angenehme auf den kilometerlangen Militäpisten, in Deutschland auch Forstwege genannt. Links und rechts am Wegesrand lauter Bunker und alte Kasernen. Und dann vier Stunden nur auf ätzenden Pisten. Eine Herausforderung, die die Sehnsucht nach dem Ziel deutlich steigert. Dazu die Hitze, die sich durch das herbstliche Wetter der letzten beiden Wochen wieder durchgesetzt hat. 


Die Nacht ist unruhig. Auch wenn es in dem wunderschön gelegen Rifugio sehr ruhig ist. Das liegt dann doch eher an der Aufregung. Ein komisches Gefühl, das letzte Mal in die verschwitzten Wanderklamotten zu schlüpfen. Wirklich wahrnehmen kann ich es aber nicht. 

Und dann geht es los. Die letzte Etappe ist wieder deutlich schöner. Bis kurz vor Ventimiglia geht es nur schmale Pfade entlang. Dieses Mal durch den Kräutergarten Italiens: die Macchia. Es riecht wunderbar! Überall wachsen wilde Kräuter. Und das Meer rückt näher und näher. 


An der Kapelle Madonna delle Neve treffen wir auf die beiden Iren, die in Dolce Acqua übernachtet haben. Sie haben den ganzen Weg hier hoch frisches Obst, süßes Gebäck und eine Flasche Sprudel anstelle von Sekt zum anstoßen geschleppt. So feiern wir den letzten Tag unserer Wanderung. Für die beiden Iren und die beiden belgischen Studentinnen ist es der letzte Tag einer zwei bzw. einwöchigen Wanderung auf dem GTA. Für die Allgäuer das Ende des gesammten GTAs, den sie innerhalb von sechs Jahren in einzelnen Abschnitten gemeistert haben. Und für mich der letzte Wandertag einer langen viermonatigen Reise. So feiern wir gemeinsam unseren Erfolg, bevor es noch in zwei Stunden hinunter nach Ventimiglia und ans Meer geht. 


Erst kurz vor dem Meer geht es hinunter. Davor war der Weg eher ein ständiges auf und ab. Der letzte Abstieg über sehr steile Teerstraßen hat es noch einmal in sich. Auch heute wird einem auf dem Weg nichts geschenkt. 

Und dann sind wir da! In Ventimiglia! Um zum Meer zu gelangen, müssen wir erst einmal 500m durch den touristischen Teil. Ein unglaublicher Lärm und Hektik begrüßt uns. Straßenbahnen, Autos, Feuerwehr, Krankenwagen und jede Menge Menschen. Es ist chaotisch, hektisch und laut. Was für ein Kontrast zu den Bergen, wo es immer so schön ruhig war! Nichts wie durch! Am liebsten wäre ich umgedreht. Zurück in die Berge. Ich bin überfordert, hier in der lauten Stadt. Und dann liegt es vor uns, das Meer! Heute ziemlich wild! Die Wellen sind teilweise so hoch wie ich. Durch das Rauschen des Wassers hört man nichts mehr von der Stadt. Es ist friedlich! Nur Wind, Wasser und Möven. Sandalen aus und das letzte Mal in die Wanderschuhe, die ich die letzte Woche eigentlich nur im Rucksack getragen habe. Und nun rein ins Meer! Es ist schön warm! Das Meer ist wild. Teilweise habe ich nicht genug Kraft und werde von den Wellen einfach umgeschmissen. Aber es macht großen Spaß! Jetzt wird der ganze Schweiß der letzten Monate abgewaschen.


Wirklich realisieren kann ich es noch nicht. Dieser Wandertag fühlt sich an wie ein normaler Wandertag, nur vielleicht mit ein paar Highlights mehr als sonst. Aber nicht wie der letzte. Eher als ob ich hier einen schönen Tag Pause einlege, bevor es wieder weiter geht. Der Verstand sagt das eine, kann sich aber gegen das Gefühl nicht durchsetzten. Ich freue mich, dass ich es geschafft habe. Ich kann es aber selbst nicht begreifen, was ich da gemacht habe. Es ist einfach zu groß, um es jetzt schon fassen zu können. Alle scheinen zu begreifen, was ich gemacht habe und beglückwünschen mich, nur ich selber kann es nicht glauben.

Wehmut und Trauer schwingen nur ein kleines bisschen mit. Wahrscheinlich, weil ich das Ende der Wanderung noch nicht fühle. Bei den letzten Schritten zum Meer bin ich sogar froh, dass ich keine großen Strecken mehr laufen muss. Jeder neue Tag war schmerzhafter als der letzte. Mein Oberschenkel braucht dringend Schonung. Trotzdem kann ich es nicht glauben, dass die langen Wandertage mit dem schweren Rucksack auf dem Rücken erst einmal ganz zu Ende sind. 

Doch die nächste Tour wird bestimmt kommen! Viel hab ich gesehen und erlebt. Neue Ideen gesammelt und Pläne geschmiedet. Allerdings nur für kleine Projekte, die in einem normalen Urlaub machbar sind. Die Alpen sind so groß und vielfältig. Langweilig wird es hier nie werden! 


Hier ist auch der richtige Platz, um Danke zu sagen! Danke an alle, die mich auf irgendeine Weise unterstützt haben! Sei es, dass ihr mich für eine Nacht bei euch aufgenommen habt, mich toll bekocht habt, mir viele gute Tipps für die Routenplanung gegeben habt oder mir sonst auf irgendeine Art und Weise geholfen habt. Danke an alle, die mich mental unterstützt haben, wenn es mir mal nicht so gut ging, und mit Mut gemacht haben. Und an alle, die mich auf meinem Weg begleitet haben. Sowohl an die Freunde von zu Hause, als auch an alle netten Menschen, die ich unterwegs kennen lernen durfte! So bin ich die letzten beiden Monate kaum allein gewesen! Und danke an alle anderen, die mich auf irgendeine Art und Weise unterstützt haben!