Im Bann der drei Zinnen

Morgens starten wir an der neuen Porzehütte unsere letzte Etappe auf dem karnischen Höhenweg. Lang soll sie werden! 10 Stunden sind angegeben, weil die Hütte in der Mitte noch geschlossen hat. Wieder geht es stundenlang auf dem Grat entlang. Und mit was für einer Aussicht! Im Norden sieht man vom Großglockner über die Venedigergruppe zu den zillerlaler und stubaier Alpen. Lässt man den Blick nach Süden schweifen, so dominieren die sextener Dolomiten. Hoch, schroff und mit vielen Zacken ragen sie in die Höhe. Laut dem Wanderführer soll man von hier die drei Zinnen sehen können. Immer wieder suchende Blicke. Doch keine drei Zinnen. Wir wandern immer weiter über tolle, zum Teil geröllige und steile Abschnitte. Fast immer mit Aussicht. Und siehe da, wir sind schon fast an der Hütte angekommen, sieht man sie, die drei Zinnen! Doch nicht so, wie man sie auf Fotos kennt. Ganz unscheinbar und verdeckt sieht man zwei der Spitzen. Sie gehen in der wilden Szenerie, die sie umgibt, fast unter. Und sind bestimmt nicht spektakulär! Die Gebirgsgruppen drum herum sind wesentlich imposanter! Ich bin ein wenig enttäuscht. 


Nach einem netten Hüttenabend mit vielen netten Wanderern, die nun alle auf dem karnischen Höhenweg starten, brechen wir am Morgen zu unserem ersten Abstieg ins Tal seit 10 Tagen auf. Der karnische Höhenweg schafft es, einen 100 km langen Kamm auf etwa 150 km Wanderweg zu überqueren, ohne einmal ins Tal abzusteigen. Das ist in den Alpen schon etwas besonderes. Je tiefer wir kommen, desto heißer wird es. Im Tal nutzen wir die Gelegenheit, den Proviant mal wieder aufzufüllen. Dann geht es weiter. Ich bin ganz aufgeregt, bald werden wir am Fuß der berühmten drei Zinnen stehen! Doch ohne Mühe ist dieser Anblick nicht zu bekommen. Durch Geröll und Latschen geht es 1200 hm in der brennenden Sonne hinauf. Der Schweiß tropft. Doch dann haben wir es geschafft. Hier stehen sie also, alle drei! Imposant und allein stehend! So wie man sie von Bildern kennt. Die Wände ragen senkrecht bis zu einem halben Kilometer hinauf! Wahnsinn! Hier sind also viele Kletterlegenden geschrieben worden. Viele Kletterer haben diese Wände schon begeistert. Kein Wunder!

Alleine kann man solch einen Platz natürlich nicht bewundern. Schon gar nicht, wenn man mit dem Auto fast bis hoch fahren kann und ein sehr breiter Wanderweg, eine regelrechte Wanderautobahn, jedem diesen Anblick zugänglich macht. Scharen von Touristen aus allen Ländern stehen an der drei Zinnen Hütte und knipsen wie verrückt. Um den Massen zu entgehen, wandern wir etwas anspruchsvoller oberhalb der vollen Wanderautobahn weiter. Immer im Blick: die steilen Wände der drei Zinnen. Doch auch drum herum, nicht weniger spektakulär, aber deutlich weniger bekannt, ragen weitere, zum Teil sogar höhere schroffe Zacken in die Höhe. Häufig ebenfalls mit tollen senkrechten Wänden.

Unser Ziel ist die Auronzohütte. Dabei ist es schwierig bei diesem großen dreistöckigen Gebäude noch von einer Hütte zu sprechen. Schließlich muss sie tagsüber hunderte, in der Ferienzeit wohl eher tausende Tagesgäste versorgen und nachts vielen Wanderern, Kletterern und Mountainbikern ein Quartier bieten. 


Auch heute rücken die drei Zinnen immer wieder in den Fokus. Wenn auch von der Rückseite, die nicht ganz so spektakuläre Wände zu bieten hat. Unser Weg führt uns in einen mit Geröll gefüllten Kessel. Umgeben von steilen Wänden. Am Drahtseil geht es zu einer gemütlichen Hütte. Wir beschließen, auf einem gesicherten Steig auf einen Sattel und in einen weiteren Kessel zu steigen. Die Landschaft ist sehr faszinierend! Überall Geröll und helle steile Wände. Das reinste Paradies für Kletterer und Alpinisten! Allerdings für Wanderer und vor allem auch für mich sehr anstrengend und herausfordernd. Sehr steile Aufstiege machen mir weniger aus. Aber geröllige sehr steile Abstiege sind bestimmt nicht meine Favoriten. Ich habe lieber festen Fels unter den Füßen als jede Menge Geröll! Sehr langsam und konzentriert gelingt uns der Abstieg. Als wir vom Weg abkommen, was in einem sehr steilen Gelände, in dem der Weg fast jedes Jahr neu angelegt oder zumindest markiert werden muss, nicht schwierig ist, komme ich bei einem sehr steilen Abstieg an meine Grenzen. An der Hütte angekommen, steht auf einer Wanderkarte zu unseren Weg: nur für Experten! Und dazu gehöre ich (noch) nicht! Immerhin weiß ich jetzt, nach welchen Wanderwegen ich mich auf der Karte orientieren muss!