Drei Jahreszeiten im Gesäuse

Drei unglaublich erlebnisreiche Tage liegen hinter mir. Und eines steht fest: der Nationalpark Gesäuse ist auf jeden Fall ein Wiedersehen Wert! Zum einen ist er unglaublich wild und schroff und zum anderen aber auch sanft und lieblich mit seinen grünen Almen. Zu dieser Jahreszeit ist er natürlich besonders faszinierend. So kann man doch im Gebirge drei Jahreszeiten innerhalb von zwei bis drei Stunden erleben. Während im Tal der Frühsommer begonnen hat, die Natur schon sehr weit ist und alles blüht, kommt man schnell in der Höhe in Richtung Frühling. Hier fangen die Pflanzen erst an, sich aus dem letzten Schnee zu recken und zu strecken und die ersten Blüten aufzumachen. Noch weiter oben hat der Winter die Natur noch fest im Griff. Die Wiesen sind noch schneebedeckt und von Knospen keine Spur. Ein sehr beeindruckendes Phänomen.


Doch trotz dieser unterschiedlich weiten Natur merkt man, wie der Sommer langsam in die Berge einzieht. Gerade in den letzten drei Tagen ist es unglaublich heiß. Auch auf 1500 Metern liegen die Temperaturen weit über 20 Grad und die Sonne brutzelt unerbärmlich vom Himmel. Der Aufstieg in der Mittagshitze zur Ennstaler Hütte ist deshalb umso beschwerlicher. Doch der Blick von oben entschädigt die Strapazen. Auf der einen Seite sieht man die lieblichen Voralpen. Dreht man sich um, blickt man auf die schneebedeckten schroffen Gipfel des Gesäuses. Ein drehbarer Liegestuhl macht den Genuss perfekt.


Die Hütte hat erst an diesem Tag aufgemacht. Ich bin der erste Gast hier oben in dieser Saison. Zusammen mit einer Schulklasse. Die Hütte ist unglaublich urig und die älteste im Nationalpark. Draußen stehen zwei Plumsklos und der Waschraum befindet sich ebenfalls draußen, aber zumindest überdacht. Doch gerade dieses einfache und urige macht die Hütte besonders gemütlich. Am Morgen bin ich die erste, die sich dieses Jahr ins Hüttenbuch eintragen darf. Über mir steht der Eintrag vom 16.10.16. 


Eine der schönsten Wanderungen bisher erwartet mich auf dem Weg zu Mödlinger Hütte. Die Wege durch den Wald sind sehr schön angelegt und immer wieder hat man Ausblicke auf die schönsten Felsformationen. Man hat fast den Eindruck, in den Dolomiten zu sein!

Auch die Tierwelt kommt nicht zu kurz! Gerade weil noch nicht so viele Wanderer unterwegs sind! Plötzlich raschelt es 10m vor mir im Gebüsch. Ich bleibe stehen und warte ab. Da springt eine Gams vor mir über den Weg! Einfach faszinierend. Schlangen sind nun zu genüge unterwegs. Alles Kreuzottern. Allerdings in allen möglichen Farben. Von rot bis schwarz ist alles dabei. 


Im Tal geht es eine Weile auf schmalen Pfaden am Johnsbach entlang. Wie alle Flüsse, fasst er zur Zeit unglaublich viel Wasser. Bei der Sonne schmilzt der Schnee unglaublich schnell weg. Baden ist bei diesem reisenden Fluss deshalb nicht möglich.


Auf der Mödlinger Hütte erwartet mich ein unglaublich nettes Hüttenteam. Sie sind neu und die erste Saison hier oben. Sehr bemüht, versuchen sie uns jeden Wunsch von den Lippen zu lesen. Noch geht es sehr ruhig zu und sie haben viel Zeit für ihre Gäste. Der Koch zaubert unglaublich gutes Essen in riesigen Mengen. Selbst für Wanderer ist es kaum zu schaffen. 

Einer der Aushilfen ist ein Rentner, den ich gestern schon im auf der Ennstaler Hütte getroffen habe. Er ist aus München vor einigen Jahren hierhergezogen. Bis auf einen Gipfel hat er jeden im Gesäuse schon mindestens einmal bestiegen. Er ist bei fast jedem Wetter zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs. Und seit gestern versucht er sich auf der Hütte als Unterstützung des Hüttenwirts. Ein sehr netter Mann, der viele Geschichten auf Lager hat. Da wird der Abend nicht langweilig.


So früh im Jahr bekomme ich mit, wie viel Arbeit dahinter steckt, dass ich meine Wanderung so reibungslos genießen kann. Auf der Ennstaler Hütte bekomme ich mit, was es heißt, die Hütte für den Saisonstart wieder herzurichten, ein Blick hinüber Richtung Hesshütte zeigt, dass 50 bis 60 Hubschrauberflüge notwendig sind für die Grundversorgung für den Start in die Saison, und auf der Mödlinger Hütte lerne ich ein Hüttenteam kennen, das die Bewirtschaftung einer Alpenvereinshütte wagt und mit unglaublich größer Motivation bei der Sache ist. 

Zwei Männer aus dem mödlinger Alpenverein, die ebenfalls auf der Hütte übernachten, machen sich ab heute an die Arbeit, die Wanderwege nach dem Winter wieder in Ordnung zu bringen. Man merkt, dass manche Wege in diesem Jahr noch nicht so häufig begangen wurden. Manche Markierungen fehlen, Bäume liegen quer oder Brücken sind kaputt. 


Als Vorbereitung auf den Nordalpenweg habe ich im Internet etwas recherchiert. Schaut man auf YouTube, so gibt es eigentlich nur zwei jüngere Männer, die sehr schöne Videos davon gedreht haben. Sie haben immer so 2 bis 3 Etappen zusammengefasst. Als ich nun auf der Mödlinger Hütte ankomme und gemütlich draußen in der Sonne sitze, sehe ich wie zwei jüngere Männer den Berg herauf keuchen. Mit ihren blauen Rucksäcken kommen sie mir irgendwie bekannt vor. Ich frage nach. Und tatsächlich: es sind die beiden aus den Videos. Wieder unterwegs um den nächsten Abschnitt zu gehen und zu filmen. Was für ein Zufall!


Der heutige Abstieg bringt mich hinunter ins Ennstal. Es ist keine sehr lange Tour. Das ist auch gut, denn die niederen Tauern erwarten mich. Ich habe noch keinen Plan, wie ich sie bezwingen kann. Die Karten auf meinem Smartphone sind zu klein und unübersichtlich um den ganzen Weg bis nach Villach zu planen. Große Wanderkarten müssen her! Doch das Tal ist zwar besiedelt, doch ziemlich dünn und Karten bekomme ich hier nicht! Die nächste größere Stadt ist Liezen. Das erste mal nehme ich ein Verkehrsmittel. Mit dem Zug fahre ich eine halbe Stunde gemütlich durch das Tal. Wie um zu prüfe, wie viel Gelassenheit und Geduld ich schon habe, fahren die Züge hier alle 4 Stunden und der nächste in 3:45 Stunden. Die Gedanken, hättest du dich doch mehr beeilt, musste die letzte Pause unbedingt sein, usw.... kommen auf. Der Satz in einer SMS von einer guten Freundin "du hast ja eh Zeit!" bringt mich wieder runter. Sie hat ja Recht. Ich habe Zeit! Alle Zeit der Welt, wenn ich möchte! Was bringt es, sich darüber aufzuregen! Möchte ich nicht genau das hinter mir lassen! Möchte ich nicht gelassen durch diese Wanderung gehen ohne dass mich so etwas aus dem Gleichgewicht bringt! Ich setze mich in die Sonne auf den Dorfplatz. Ich merke, wie ich ruhiger werde. Irgendwann stört mich das Warten gar nicht mehr. Erste Lektion in punkto Gelassenheit gelernt!


Liezen ist eine kleine Stadt. Was sage ich, für die Verhältnisse hier fast eine Metropole. Schließlich hat die 6.000 Einwohner Gemeinde zwei große Einkaufspassagen, die zusammen so groß sind wie das große Einkaufszentrum Ettlinger Tor in Karlsruhe. Ein riesiges Schoppingparadies. Zum Glück deutlich leerer als das Ettlinger Tor. Ich betrete einen Buchladen. Und wieder erlebe ich die unglaubliche Hilfsbereitschaft der Menschen hier. Die Buchhändlerin stellt den ganzen Laden auf den Kopf, um jede Karte aus dem letzten Winkel zu ziehen, die mir irgendwie behilflich sein könnte. Schließlich finden sich zwei passende Karten.

Im Ort frage ich einen Einheimischen nach einer Unterkunft. Oben, c.a. 20 zu Fuß den Berg hoch, sei eine günstige schöne Pension. Eine Frau vermiete dort vier Zimmer. Oben angekommen sind nur zwei Gäste und die beiden Söhne der Inhaberin da. Es stellt sich herraus, dass sie seit längerem keine Zimmer mehr vermieten und die "Gäste" schon seit mindestens einem Jahr hier wohnen, vor allem unter der Woche, weil sie hier in der Nähe arbeiten. Einer der Söhne druckt mir aus dem Internet eine Liste mit Unterkünften und Telefonnummern aus, berät mich und macht telefonisch eine Unterkunft klar. Super nett! Ich sitze mit ihnen und den "Gästen" noch eine halbe Stunde gemütlich im Hof und möchte dann mich wieder auf dem Weg hinunter machen. Da sagt der eine zu mir, die Pension sei schwer zu finden und fahre mich dort hin. Er bleibt so lange im Auto sitzen, bis ich ihm das ok gebe, dass mit dem Zimmer alles klar geht. Das ist schon Wahnsinn, wie die Leute zum einen interessiert an meinem Vorhaben sind, und zum anderen wie unglaublich hilfsbereit! 

Erster Blick ins Gesäuse
Erster Blick ins Gesäuse
Blick von der Ennstaler Hütte ins Gesäuse
Blick von der Ennstaler Hütte ins Gesäuse
Blick von der Ennstaler Hütte in die Voralpen
Blick von der Ennstaler Hütte in die Voralpen
Abenstimmung auf der Mödlinger Hütte
Abenstimmung auf der Mödlinger Hütte
Abendstimmung auf der Ennstaler Hütte
Abendstimmung auf der Ennstaler Hütte